Fast jeden Abend um 19 Uhr setze ich meine Kopfhörer auf. Dann verschwinde ich für vier Stunden in Hörbüchern. Oft höre ich gar nicht richtig zu – aber allein das Hören beruhigt mich, mein Denken wird klarer. Es ist der Moment, in dem die Medikamente langsam nachlassen und ich in meinen Tunnel gehe.
Mein Frühstück ist seit Monaten dasselbe: Haferflocken. Einmal in der Woche gibt es ein Omelett – und das fühlt sich dann schon „abenteuerlich“ an.
Ich höre seit 2015 dieselbe Playlist. Jedes Jahr kommen ein oder zwei Songs dazu, aber im Kern bleibt sie gleich. Neue Musik fällt mir schwer.
Wenn ich eine Hose finde, die mir passt, kaufe ich sie gleich in mehreren Farben.
Ich höre nur Hörbücher von Stimmen, die eine bestimmte Ruhe haben – alles andere macht mich unruhig. Ich habe denselben Podcast inzwischen über 20 Mal angefangen, ich kann ihn fast mitsprechen. Und trotzdem gibt er mir ein Gefühl von Sicherheit.
Mein Tagesablauf ist fast immer gleich. Ich benutze dieselben Pflegeprodukte, koche ähnliche Dinge, wiederhole dieselben Handgriffe. Und sobald etwas durcheinandergerät – ein zu früher Termin, ein angekündigter Handwerker – kippt der ganze Tag.
Und dann gibt es diesen „Waiting Mode“: Ich habe einen Termin, und ab da dreht sich alles nur darum. Ich sitze manchmal zwei Stunden vorher schon angezogen auf der Couch und warte. In der Zeit kann ich nichts anderes tun. Wenn der Termin dann ausfällt, fällt alles in sich zusammen.
Das Seltsame am ADHS: Routinen sind gleichzeitig das, was wir nicht mögen – und das, was wir brauchen, um zu funktionieren. Diese Ambivalenz bei sich selbst anzuerkennen, ist nicht leicht. Aber genau in diesen Routinen liegt meine Stabilität. Und auch wenn sie manchmal absurd wirken – ohne sie würde ich nicht durch den Alltag kommen.
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