ADHS ist kein Fehler der Natur

ADHS ist kein Fehler der Natur. Vielleicht ist es eine Erinnerung.
Wir betrachten ADHS oft als Störung – als Abweichung vom funktionalen Maß. Doch was wäre, wenn es genau andersherum wäre?
Was, wenn das, was heute stört, einst überlebenswichtig war?
Die sogenannte Jäger-und-Sammler-Hypothese liefert ein evolutionäres Modell, das diese Frage ernst nimmt. Sie geht davon aus, dass viele Merkmale, die heute unter ADHS fallen – etwa Reizoffenheit, Impulsivität, schnelle Reaktionsfähigkeit, Bewegungsdrang, Neugier – in mobilen, nicht-sesshaften Lebensformen Vorteile verschafften.
Und mittlerweile ist klar: Diese Theorie ist mehr als eine nette Idee.
Ein Forschungsteam hat im Rahmen einer groß angelegten Genomstudie antike DNA mit heutigen Populationen verglichen. Das Ergebnis: ADHS-assoziierte Genvarianten (z. B. DRD4-7R) traten früher häufiger auf. Sie wurden offenbar evolutionär zurückgedrängt, als die Menschheit sesshaft wurde – also mit der Ausbreitung von Landwirtschaft, Hierarchie, Routinen.
Die Originalstudie findest du hier:
https://lnkd.in/dZPSCc-r
Das bedeutet nicht, dass ADHS „nur“ ein Relikt der Evolution ist. Aber es zeigt: Das Nervensystem, das heute in Schule und Büro aneckt, war unter anderen Bedingungen nicht defizitär – sondern funktional, sogar notwendig.
In manchen indigenen Bevölkerungsgruppen, die heute noch halbnomadisch leben und weniger stark europäisch vermischt sind, zeigen sich höhere Prävalenzen von ADHS-Merkmalen – ohne dass dies zu sozialer Isolation oder Krankheit führt.
Zudem zeigt eine Untersuchung an der pastoralistischen Nomadenbevölkerung der Ariaal in Kenia: Unter den nomadischen Männern begünstigt das 7R-Allel eine bessere Körperverfassung, während es in sesshafter Gruppe mit schlechterer Gesundheit assoziiert war – ein Hinweis auf kontextsensitive Vorteile dieser Genvariante .
Das ist keine romantisierte Theorie – es ist empirisch belegbar:
ADHS‑assoziierte Gene waren in bewegten, explorativen Lebensformen adaptiv. Heute führen sie jedoch in starren, agrar-bürokratischen Strukturen oft zu Konflikten und Pathologisierung.
Die Frage ist also nicht:
Was stimmt nicht mit diesen Menschen?
Sondern:
Was stimmt nicht mit dem System, in dem sie ständig scheitern sollen?
Vielleicht ist ADHS kein Zeichen von Störung, sondern eine Erinnerung daran, dass es mehr als eine Art gibt, in der Welt zu sein. Und dass unser Bild von Normalität viel zu eng gefasst ist.
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