Ich habe mich entschieden, über die weniger bekannten Symptome von ADHS zu berichten.
Heute kommt ein weiteres Symptom dazu: die kognitive Lähmung.
Wie es sich anfühlt:
Als würde mein Kopf gegen eine Mauer laufen. Plötzlich geht nichts mehr. Keine Entscheidung, kein Handeln, kein Weiterdenken.
Besonders deutlich wird es, wenn mein Mental Load ohnehin hoch ist. Wenn es mir nicht gut geht und dann mehrere Entscheidungen gleichzeitig auf mich einprasseln, blockiert mein System. Ich habe gerade eine Entscheidung getroffen und noch während ich durchatme, wollen schon andere die nächsten. Mein Kopf reagiert dann nicht mit Nachdenken, sondern mit Mauer.
Im Gehirn von Menschen mit ADHS sind die Netzwerke, die für Planung, Handlungssteuerung und Priorisierung zuständig sind, besonders anfällig für Überlastung. Neurowissenschaftlich spricht man von einer Schwäche in den exekutiven Funktionen, also jenen Prozessen, die uns helfen, Optionen abzuwägen und einen nächsten Schritt zu wählen. Gerät dieses System unter Druck, kann es in eine Art Stillstand fallen. Laien vergleichen es oft mit einem Computer, der zu viele Fenster gleichzeitig geöffnet hat. Irgendwann friert er ein – nicht, weil er defekt ist, sondern weil die Rechenkapazität erschöpft ist.
Das erklärt auch, warum selbst kleine Entscheidungen für mich Stress auslösen können. Schon die Frage, ob ich Ketchup oder Senf möchte, kann mich innerlich überfordern. Mein Nervensystem reagiert mit derselben Blockade wie bei großen Entscheidungen.
Früher war das schwierig, weil niemand verstand, was da passiert. Heute sage ich offen: „Im Moment kann ich keine Entscheidung treffen.“ Im Familienverband funktioniert das inzwischen sehr gut. Die Entlastung ist enorm, wenn man das nicht mehr verstecken muss.
Für mich ist Ruhe hilfreich. Wenn mir jemand eine Entscheidung abnimmt, kann mein System sich entlasten und schneller wieder handlungsfähig werden. Für andere mag das banal wirken, für mich ist es eine konkrete Form von Unterstützung.
Kognitive Lähmung ist kein exotisches Phänomen. In der Psychologie spricht man auch von „Decision Paralysis“ oder „Overload Freeze“. Studien zeigen, dass Menschen mit ADHS deutlich anfälliger dafür sind, weil sie mehr Informationen gleichzeitig wahrnehmen und schlechter filtern können. In Kombination mit Stress oder Erschöpfung führt das dazu, dass der Entscheidungsapparat im Gehirn – vor allem im präfrontalen Kortex – schlicht blockiert. Es ist ein Schutzmechanismus.
ADHS beeinflusst unser Leben, auch in den banalsten Momenten.
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