Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, welchen Einfluss Ernährung auf ADHS hat. Manche behaupten, die richtige Diät könne die Störung „heilen“. Andere halten das Thema für völlig irrelevant. Die Wahrheit liegt dazwischen – und genau darum geht es. Blutzuckerschwankungen wirken sich nachweislich auf Aufmerksamkeit, Energie und Stimmung aus. Wenn der Blutzucker stark ansteigt und dann wieder abfällt, reagiert der Körper mit Stresssignalen: Adrenalin steigt, Cortisol wird ausgeschüttet, die Konzentration bricht ein. Gereiztheit, Unruhe und Müdigkeit sind die Folge. Für Menschen mit ADHS, deren Nervensystem ohnehin empfindlicher reguliert, können diese Schwankungen besonders spürbar sein. Hier hilft es, den Stoffwechsel zu stabilisieren – mit komplexen Kohlenhydraten, ausreichend Eiweiß und gesunden Fetten. Auch Mikronährstoffe wie Eisen, Magnesium, Zink oder Omega-3-Fettsäuren sind relevant. Sie beeinflussen die Bildung von Neurotransmittern wie Dopamin oder Serotonin. Ein Mangel kann Symptome verstärken: mehr Erschöpfung, stärkere innere Unruhe, emotionalere Reaktionen. Bei manchen Menschen reicht es, Defizite auszugleichen, um spürbar stabiler zu werden. Aber: Ernährung kann nicht alles. Symptome wie Impulsivität, chronische Ablenkbarkeit, Reizoffenheit oder Schwierigkeiten bei der Organisation sind nicht durch Mahlzeiten steuerbar. Sie sind in der komplexen Funktionsweise des Gehirns verankert – in Netzwerken, die Aufmerksamkeit, Motivation und Reizfilterung steuern. Hier helfen keine Ernährungspläne, sondern andere Bausteine: Medikamente, therapeutische Strategien, strukturierende Systeme. Das ist wichtig, weil ADHS eine komplexe kognitive Struktur ist. Es gibt keine einfache Lösung, keinen einen Schalter, den man umlegen kann. Für manche reicht Ernährung als Unterstützung völlig aus, wenn nur bestimmte Symptome besonders belasten. Für andere ist Ernährung nur ein kleiner Teil einer viel größeren Gesamtheit. Fatal wird es, wenn suggeriert wird: „Iss dich gesund und dein ADHS verschwindet.“ Damit nimmt man Betroffenen die Möglichkeit, die Unterstützung zu bekommen, die sie wirklich brauchen. Wer ernsthaft über ADHS spricht, muss anerkennen: Jede Person braucht eine individuelle Kombination von Maßnahmen. Ernährung kann stabilisieren, Symptome abmildern, Energie und Konzentration unterstützen. Aber ADHS ist mehr als Stoffwechsel. Und niemandem ist geholfen, wenn man die Komplexität auf einfache Lösungen reduziert.